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Die spezielle Entwicklung des Abendlandes seit dem Mittelalter

von Kurt Almqvist5, nach der Präsentation von René Guénon

Editiert und ins Deutsche übersetzt von OmarKN


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Der präsentierte Text gehört zu einer Reihe von Texten, die im besten Fall zu einem besseren Verständnis der Entwicklung des Abendlandes bis hin zur Moderne beitragen können, eine - verglichen mit anderen Regionen und Traditionen der Welt - ganz besondere Entwicklung der Menschheit in diesem Raum vom Mittelalter bis heute.

Es ist deshalb eine spezielle Entwicklung, weil sie nicht nur die materiellen Verhältnisse der Gesellschaften des Westens verändert hat1, sondern weil sie vor allem die metaphysischen Prioritäten auf den Kopf gestellt hat: Nicht mehr Gott, sondern der Mensch, genauer gesagt: der menschliche Verstand sollte das Mass aller Dinge werden.2 Heute leben wir allerdings bereits im postmodernen Zeitalter,3: da sich inzwischen gezeigt hat, dass auch der menschliche Verstand an seine Grenzen gestossen war oder auf viele Art und Weise von unter-menschliche Erscheinungen abgelöst worden war.

Von der Perspektive der Tradition und der Metaphysik aus beschreibt Kurt Almqvist die historischen Geschehnisse in Hinsicht auf die erkenntnistheoretischen Prozesse des Abendlandes. Metaphysik ist nichts anderes als das Übernatürliche4, was aber nicht heisst, letzteres könnte in menschliche Vorstellungsformen gefasst werden. Der hier wiedergegebene und leicht gekürzte Text stammt aus Kurt Almqvists „Die vergessene Dimension" aus dem Jahre 19595 und kurz aus "Im Dienste des Einen” von 1977, beides Werke auf schwedisch, wo der Verfasser einige der Hauptgedanken von René Guénon, Shaykh Abdul Wahid Yahya, vorstellt. Im Schlusswort äusserte er noch die Hoffnung, die echten, aufrichtigen Gläubigen des Westens könnten irgendwie die christliche Tradition wiederbeleben. Es sieht so aus, dass in dieser Hinsicht nicht viel geschehen ist, es sei denn man will den jetzigen Papst Franziskus als jemanden auffassen, der sich der ewige Tradition in gewisser Hinsicht genähert hat.

Jedenfalls wird der Islam diese Rolle der Bewahrung der himmlischen Tradition übernehmen und tut es bereits, auch wenn es gegenläufige Strömungen gibt und dies ist ein fortlaufender Prozess.

Und Allah - Gott weiss am besten und am meisten.



Inhalt

- Die Entwicklung der Menschheit durch die Jahrtausende
- Der reine Intellekt ist das unmittelbare Prinzip
- Die Vernichtung einer echte intellektuellen Tradition
- Der Aufstand gegen den Intellekt
- Reformation und Renaissance
- Der Individualismus
- Erkenntnis als der Handlung untergeordnet
- Rationalismus
- Der Fortschrittsglauben
- Gefühl und Moralismus
- Der Materialismus und 'das tägliche Leben'
- Der Verfestigungsprozess des Materialismus
- Der Pragmatismus


Die Entwicklung der Menschheit durch die Jahrtausende

Auch wenn die Entwicklung der Menschheit ganz unterschiedliche Perioden verschiedener Zivilisationen umfasst, erscheint sie in der Perspektive der Metaphysik als einheitlich. Diese Entwicklung durch die Jahrtausende hindurch ist ein progressiver Abwärtstrend.72 Sie ist gleich einem Körper, der einen immer steileren Hang hinunterfährt und schließlich zum Absturz kommt: Die beschleunigte Geschwindigkeit dieser Epoche symbolisiert am besten das immer stärker werdende Tempo, womit der "Sündenfall" vor sich geht. Wie bereits erwähnt, ist die Geschichte der Menschheit6, die unvergleichlich älter ist als was die Wissenschaft bisher zugestehen konnte7, in vier Zeitalter unterteilt (Yuga in Singularis), nämlich das Äquivalent des Gold-, Silber-, Kupfer- und Eisenalters der Griechen, das Kaliyuga genannt wird, dh "das dunkle Zeitalter".

Die Menschheit befindet sich jetzt in ihrem letzten Stadium. Was oben über die Entwicklung des Zyklus gesagt wurde, lässt verstehen, dass die Entwicklung8 in ihrer Endstufe mit maximaler Geschwindigkeit vor sich geht. Dieser endgültige und entscheidende Akt des Kali-Yugas-Spektakels hat seinen Anfang in Europa genommen und begann am Ende des eigentlichen Mittelalters, also etwa im Jahre 1300.9

Der reine Intellekt ist das unmittelbare Prinzip

Da nun aber das unmittelbare Prinzip der menschlichen Existenz der reine Intellekt71 ist, bekommt alles, was geschieht, seine wahre Bedeutung gemäss seiner Beziehung zu diesem [unmittelbaren Prinzip]. Dann wird klar, dass das, was die menschliche Geschichte zum Ausdruck bringt10, eine fortschreitende Distanzierung vom Intellekt11 ist. Dieses Abfallen [vom Intellekt] ist am deutlichsten in der oben genannten Endphase zu erkennen, und man könnte sagen, dass die Geschichte Europas vom Mittelalter bis heute selbst ein kleines Zeitalter ist, wodurch sich uns ein klares Bild der Entwicklung der gesamten Menschheit bietet.

Kurt Almqvist zeigt12, dass das ”Hochmittelalter in Europa … noch über eine echte intellektuelle Tradition mit einem lebenden esoterischen Kern verfügte.”13

Die Vernichtung einer echten intellektuellen Tradition

Der Tempelritterorden ist besonders interessant,14 denn die westliche intellektuelle Rückentwicklung begann in erster Linie und ist verknüpft mit der Auflösung dieses Ritterordens der Tempelritter, endgültig vollstreckt im Jahr 1312 durch Philip, dem Schönen, im Einvernehmen mit Papst Clemens V.

Die Art und Weise, wie die Tempelritter aufgelöst wurden, ist bezeichnend für jene tiefe Veränderung, die damals in Europa stattfand. Dass der Papst diesem Verbrechen seine Zustimmung gab, auch wenn er dazu gezwungen war, zeigt, dass das Oberhaupt der Christenheit sich nicht mehr voll und ganz des transzendenten Charakters seiner Funktion bewusst war.15

Das mittelalterliche Feudalsystem16 war eine Projektion der inneren menschlichen Hierarchie auf den sozialen Kontext: so entspricht der Klerus dem göttlichen Intellekt, und die drei unteren Stände haben ihr Gegenstück in den rein menschlichen Fähigkeiten.

Als nun am Ende des eigentlichen Mittelalters der Geist [der Himmel] 'entthront' wurde, musste sich dies notwendigerweise in der Gesellschaft als eine Leugnung des ersten Standes manifestieren. Und so wie der Intellekt des Menschen das über-individuelle Prinzip ist, das seine wirkliche Einheit ausmacht, so machte damit der Aufruhr gegen dieses Prinzip den Menschen zur wehrlosen Beute der vielfältigen Zersplitterungen, und so war es auch für die Kirche - das heißt letztlich für ihren esoterischen Kern - welche im Mittelalter dem Abendland eine über-nationelle17 Einheit gegeben hatte. Als dieser Esoterismus 63 unterdrückt wurde, musste auch das nahtlose Kleid der Christenheit zerreissen.18

Tatsächlich sehen wir, wie genau im 14. Jahrhundert19 die "Nationalstaaten" entstehen. Dies führte zu einer europäischen Spaltung in mächtigen nationalen Einheiten, deren Kriege gegeneinander weit größere Konsequenzen haben würden, als die mittelalterlichen, ziemlich lokalen, feudalen Fehden.64

Die Herrschaft des zweiten Standes über den ersten wurde durch die Reformation betriebene Einrichtung von ‚Hauskirchen' sozusagen kodifiziert, worunter nichts anderes zu verstehen ist, als dass die Religion dem staatliche System subsumiert wurde, das heißt sie wurde im Grunde ihr Diener. Wie diese Tendenz dann zunehmend stärker wurde, auch das bezeugt die Neuzeitgeschichte bis zum heutigen Tag.20

Der Aufstand gegen den Intellekt

Der Aufstand gegen den Intellekt73 und damit gegen die geistige Autorität, die ihr Sprachrohr ist, äusserte sich in der Reformation des weiteren dadurch, dass man die ‚freie Meinung' eines jeden einzelnen - wie auch seine Gedanken - zur Glaubensnorm erklärte. Da es nun aber fast so viele unterschiedliche Meinungen und Auffassungen gibt, wie Menschen, führte diese Unabhängigkeitserklärung des Individuums zu einer immer größeren Vielfalt von Überzeugungen. Als es daher unmöglich wurde, sich auf die Doktrin21 zu einigen, bekam diese bald eine untergeordnete Bedeutung, und stattdessen wurde die Moral zur Hauptsache22 erhoben. Eine Moral, die mehr sein will als die Anwendung einer Lehre, verkommt jedoch zu einem verschwommenen und gefühlsmässigen "Moralismus", und das ist auch beim Protestantismus der Fall gewesen.23

Indessen ist auch der Katholizismus weitgehend durch seine Verweigerung wahrer Spiritualität von dieser Gefühlsduselei und diesem Moralismus angesteckt worden, und ist für die überwiegende Mehrheit ihrer Anhänger zu einer Routineangelegenheit von mehr oder wenigem sozialen Charakter geworden.24

Das oben gesagte macht verständlich, warum die Reformation eher als eine der ersten wichtigen Ergebnisse einer früheren Entwicklung betrachtet werden muss, statt als Ausgangspunkt für eine neue Epoche, und das gleiche gilt für die Renaissance, wenn man ihren Anfang auf das Jahr 1500 setzt - wie Historiker es früher gemacht haben und der gemeine Mann es noch tut.

Reformation und Renaissance

Die Reformation und die Renaissance waren in der Tat nur zwei Aspekte ein und der gleichen Tendenz, wobei erstere die Religion betraf, letztere die Bereiche der Wissenschaft und Kunst, und diese neue Tendenz war der Individualismus. Dieser Begriff - ebenso wie der von der Renaissance gepriesene ‚Humanismus' - bezeichnen eben gerade jene Reduktion von all und allem auf rein menschliche Verhältnisse, d.h. die Tendenz das Individuum als Ziel und Zweck an sich anzusehen, eine Entwicklung die einherging mit der Ablehnung des Geistes, des universellen Prinzips.

Dieses Anheimfallen an die Vielfalt,25 bekam in der Wissenschaft seinen Ausdruck in einem neuen Ansatz, nämlich dem der empirischen Untersuchung der Tatsachen und Details. Doch konnten diese Untersuchungen nicht in ein übergeordnetes Prinzip integriert werden und konnten daher nie zu einer Synthese führen.26

Gemäss der traditionellen Auffassung sind alle Wissenschaften der Metaphysik unterworfen, dem Ursprung allen Wissens und Vollkommenheit, sie bilden bloss die verschiedenen Anwendungsgebiete. So war die Beziehung zu Aristoteles 'Physik'27, wie auch später zur Kosmologie des Mittelalters. Die traditionellen Wissenschaften sind gleichzeitig Anwendungen der Lehre65, wie auch Vorbereitung auf ein höheres universelles Wissen. So kann man sich gut vorstellen, von welchen ehrbaren Möglichkeiten sich die Wissenschaft ab Ende des Mittelalters verschloss.28

Der erste Usurpator auf den Thron des verdrängten Intellekts war bedauerlicherweise die erste der individuellen Fähigkeiten, nämlich Ratio, der Verstand. Sein Gebiet ist das Allgemeine, das, obwohl er der Besonderheit der Sinneswelt überlegen ist, doch seine Substanz daraus ableitet und daher in jedem Fall vollständig im individuellen Bereich eingeschlossen bleibt.66

Der Individualismus66 in seinem Aspekt des Aufruhrs gegen den Intellekt wird Rationalismus genannt und es war Descartes, der dieser Tendenz einen endgültig philosophischen, um nicht zu sagen dogmatischen Ausdruck verlieh. In scharfem Gegensatz zu Aristoteles war die Metaphysik für ihn nur ein Diener der Physik29 und diese seine Ansicht weist auch hin auf die damals in Gang gekommene Entwicklung, in der die Physik ihre primäre Aufgabe als Grundlage für bestimmte angewandte Wissenschaften einnehmen würde: für die Mechanik, die Medizin und die Moral.

Diese Entwicklung war in der Tat bereits mit der Entstehung des Rationalismus gegeben: der Verstand, ehemals Vermittler zwischen reinem Intellekt und materieller Welt, hatte sich nun von ersterem abgewandt und losgelöst, (S. 74) und seine ganze Aufmerksamkeit auf letztere30 gerichtet; wie könnte es da vermieden werden, immer tiefer in die Materie zu sinken und immer mehr seine Hauptaufgabe darin zu sehen, die rein materiellen Bedürfnisse des Menschen zu erfüllen?31

Erkenntnis als der Handlung untergeordnet

Die Erkenntnis32 wurde der Handlung untergeordnet, was buchstäblich ein Auflehnen gegen die traditionelle Auffassung bedeutete, wonach die Handlung [oder die Tat] ihr Prinzip nicht in sich selbst beherbergen kann, sondern nur in dem, was über [oder hinter] ihrem Bereich liegt, und zwar in der Kontemplation oder, wenn man so will, in der Erkenntnis:

Erkenntnis als unmittelbares Ergebnis der Kontemplation. Im weiteren Sinne muß die Veränderung33 ihr Prinzip in etwas Unveränderlichem haben, dem motor immobilis des Aristoteles. Als so das Handlungsleben34 von seinem normativen Gesetz losgelöst worden war, musste es in einen ebenso vergeblichen wie unfruchtbaren Aktionismus ausarten, in dem Bewegung und Wandel um ihrer selbst willen gefragt waren - und das ist auch was geschah.

Rationalismus

Das Saatgut des35 aufkommenden Materialismus lag unmittelbar im Rationalismus, der durch Descartes auf die materielle Welt eingestellt worden war: ausgehend davon, das Grobstoffliche36 als den wichtigsten Teil des Daseins zu postulieren, wie es der Rationalismus tat, bis hin alle Realität, also auch die Vernunft, in ihre Grenzen37 einbeziehen, ist es nur ein [weiterer] Schritt.38

Der steigende materielle Wohlstand, der bald entstand39, [und vielen Menschen so erschien] als sei er das praktische Ergebnis der Lebensanschauung des Materialismus, gab dem Westen die Illusion von ‚Fortschritt' und die dogmatische Vorstellung vom absoluten Charakter der modernen europäischen Zivilisation: dass sie der (S.75) Gipfel sei, zu dem die menschliche ‚Zivilisation' schließlich von ihrem ‚rohen' und ‚primitiven' Ursprung aufgestiegen sei.40

Der Fortschrittsglauben

Die nächste Phase im kleinen Zyklus, den wir studieren, zeichnet sich vor allem durch den Glauben an den Fortschritt aus.41

Dadurch dass sich der Verstand gegen den Intellekt auflehnte, setzte er sich seinerseits [der Gefahr] aus, von den niederen individuellen Fähigkeiten 'entmachtet' zu werden, vor allem vom Gefühl, ebenso wie im sozialen Bereich der zweiten Stand67 nach seiner Revolte gegen den ersten früher oder später dem dritten Stande weichen musste.42 Diese beiden Phänomene - der Durchbruch der Sentimentalität und die französische Revolution - decken sich übrigens auch chronologisch.

Gefühl und Moralismus

Sentimentalismus, Emotionalität und damit ein gesteigerter43 Moralismus gingen44 Hand in Hand mit dem Materialismus. Diese Wahrheit scheint dem modernen Europäer anstössig zu sein, der gewohnt ist, den [menschlichen] Verstand mit der Materie in Verbindung zu bringen. Da seine Sicht nicht [die Grenzen des] Individuellen übersteigt setzte er im Widerspruch zu diesem das [menschliche] Gefühl ein. Dieser Widerspruch wird ganz offenkundig, sobald man den infra-rationellen Charakter des Gefühls [oder der Emotion] erkannt hat.

Indem man das, was sich [eigentlich] 'unter' dem Verstand befindet ‚über' diesen stellte, brachte die neuere Gegenwart eine wirkliche Karikatur des Menschen hervor, ganz anders als er noch im (S.76) mittelalterlichen Europa verstanden wurde, und so wie er - unter Vorbehalt der Europäisierung - noch im Orient wahrgenommen wird.45

Die Metaphysik verachtet nichts, auch nicht das Gefühl, aber ihr Wesen ist es, allem seinen zugehörigen Platz zuzuweisen. Die moderne Auffassungen [und 'Philosophien'] jedoch, welche das Infra-rationale über das Rationale [das Vernunftmässige] stellen, werden angemessenderweise unter dem Begriff der ‚Pseudo-Metaphysik' zusammengefasst. Hierzu gehören alle Lehren, die sich auf dem Unterbewusstsein stützen.46

Der Materialismus und ‚Alltagsleben'

Wenn auch die Philosophie - so wie alle ‚Kulturprodukte' - eher ein Symptom als ein bestimmender Faktor ist, bekommen die Trends welche diese Theorien ausdrücken durch so deutliche Formulierungen eine grössere Kraft, und das geschah mit dem Materialismus. Unabhängig von den verschiedenen philosophischen Formen, die er angenommen hat, ist er ein echter kollektiver Instinkt geworden und ist so fest im Unbewussten der großen Menge verwurzelt, auch bei den meisten derer, die sich zu einer Religion oder zu einem ‚Ideal' bekennen.

Und was in diesen Zeiten beobachtet werden kann, ist dass der Materialismus - und mit ihm die Fortschrittslehre47- weiterhin dieses animalische48 Leben leben, auch wenn heute diese Theorien selbst von Wissenschaftlern mehr und mehr aufgegeben werden.

Die vorherrschende Mentalität ist also ein faktischer Materialismus, für den es ein Axiom des ‚täglichen Lebens'49 geworden ist, dass die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse das ‚normale' Leben ist und dass die materielle Welt50 gleichbedeutend ist mit ‚Wirklichkeit'. Damit wird so gut wie jede Art von Eingriff51 des Übermenschlichen ausgeschlossen. Es ist liegt ja bereits im Begriff des ‚Alltagslebens', dass so oft52 was oberhalb oder über der menschlichen Welt liegt, ja, auch das, was zu seiner Spitze gehört, ihre eher subtile Schichten, zwar nicht einfach geleugnet wird, doch jedenfalls (S.78) als etwas Außergewöhnliches abgestempelt wird, etwas mit dem man sich nicht zu befassen braucht.

Der Verfestigungsprozess des Materialismus

So kam es dazu, dass der Materialismus die irdischen Existenz durch eine Art 'Erstarrungsprozess'53 wie mit einer ‚Schale' umgab, durch die scheinbar keine außermenschlichen Einflüsse eindringen konnten, das heisst keine übermenschlichen, aber auch keine untermenschlichen.54 Als die Menschen in Europa einen äußerlichen Wohlstand erreicht hatten - so gut sie konnten - schienen sie in dieser - durch die Mechanisierung der Dinge und des Menschen - in ihrer scheinbar gut regulierten Existenz sicher und unabhängig geworden zu sein.

Aber der Verfestigungs~ oder Erstarrungsprozess konnte nie vollständig sein, weil eine absolute Isolation eines Existenzbereiches - in diesem Fall des körperlichen ~ - von anderen Bereichen undenkbar ist. Dieser Prozess wird umso mehr unvollkommen, je weiter er fortschreitet, denn die niedrigste Wirklichkeit auf welchen er sich gründet, ist auch die veränderlichste.

Nichts kann verhindern, dass in so einem geschlossenen System 'Risse' auftreten, und tatsächlich ist es dies bereits geschehen. Da aber die Menschheit - bildlich gesprochen - keinen Aufwand scheute, die 'Schale' nach oben hin geschlossen zu halten, mussten die Risse unten auftreten. Das heisst die ‚infernalischen' Kräfte, welche dort eindrangen, trafen in dem Masse auf weniger Widerstand, in dem die Menschheit keine höheren Mächte hereinliess, welche im Stande gewesen wären, sie zu bekämpfen.

Die Neuzeit - eine Zeit der Auflösung

Die Epoche der neuen Zeit, die mit den Materialismus ihren Höhepunkt erreichte und auch das Zeitalter der ‚die Verfestigung'55 genannt wird, hat durch diese Breschen verhängnisvolle Wunden empfangen. Das Zeitalter, das jetzt ernsthaft begonnen hat und das (S.79) bereits seinen Höhepunkt erreicht hat,56 ist eine Zeit der Auflösung.

Es ist nicht schwer nach den erschütternden Ereignisse der letzten Jahrzehnte festzustellen, dass die - durch den Materialismus geschaffene - falsche Sicherheit schon der Vergangenheit angehört. Im Gegenteil ist der [allgemeine] Eindruck der jetzt vorherrscht69, der einer Instabilität, der sich in erschreckender Weise auf alle Bereiche ausbreitet. Die Kräfte um die es sich hierbei handelt sind - wie bereits erwähnt - Einflüsse subtiler Art, ein kosmischer Psychismus, resultierend aus dem Zustand der 'unter'-menschlichen Welten, von den Religionen die ‚infernale Welten' genannt.

Alle Traditionen stimmen darin überein, dass diese Fliehkräfte die Welt schliesslich bis in die ‚äußere Finsternis' treiben werden, in eine fast vollständige Zerstörung, aus welcher eine neue ‚Arche Noah' die Überreste der Lebenssamen in eines neuen Paradies, ein goldenes Zeitalter eines neuen Weltzyklus retten werden.

Von ”Im Dienst des Einen”70

Da die Rede von der Philosophie gewesen war, werden wir hier - ohne in Einzelheiten zu gehen - einige der Folgen des Individualismus in diesem Bereich aufzeigen. Die erste war, dass man durch die Leugnung der intellektuellen Intuition57 den [menschlichen] Verstand über alles andere stellte.

Er verwandelte diese rein menschlichen und relativen Fähigkeiten zum höchsten Teil der Intelligenz oder behauptete sogar, dass die Intelligenz nichts anderes sei als der Verstand. Das ist die Bedeutung des "Rationalismus", dessen eigentlicher Gründer Descartes war.58

Diese Einschränkung der Intelligenz war - nebenbei bemerkt - nur die erste Stufe: der [menschliche] Verstand selbst würde bald eine immer praktischere Rolle einnehmen, da die [praktischen] Anwendungen des Wissens die Oberhand gewannen über jene Wissenschaften, die möglicherweise noch einen gewissen spekulativen Charakter bewahrt hatten.

Schon Descartes interessierte sich mehr für praktischen Anwendungen als für die reine Wissenschaft. Aber das ist nicht alles; denn da außerhalb der Reichweite des Individuums als solchem das liegt, was jenseits von der Natur ist59, hatte der Individualismus notwendigerweise den „Naturalismus" zufolge.

„Naturalismus" und Verleugnung der Metaphysik, sind übrigens eins und das gleiche ist, und da auch die intellektuelle Intuition nicht anerkannt wurde, gab es keine Möglichkeit für überhaupt irgendeine Metaphysik. Manche Leute bestehen sodann darauf eine Art von „Pseudo-Metaphysik” zu entwickeln, aber andere sind ehrlicher und erkennen an, dass dies unmöglich ist.

Von dieser Verleugnung der Metaphysik60 rührt der „Relativismus" in all seinen Formen her, sei es in Frage um Kants „Kritik" oder um Auguste Comtes „Positivismus". Da aber der Verstand selbst ganz relativ ist und daher nicht geltend in anderen Bereichen eingesetzt werden kann ausser in jenen, die auch bloss relativen Wirklichkeitsgehalt haben, ist der „Relativismus" das einzige logische Ergebnis des „Rationalismus".

Außerdem würde dieser [Relativismus] sich selbst zerstören. Denn - wie oben bereits erwähnt - die Konzepte von Natur und vom „Werden" sind in Wirklichkeit gleichbedeutend und ein „Naturalismus", der sich selbst treu ist, kann nichts anderes sein, als eine dieser Theorien des „Werdens" und dessen spezifisch moderne Form der "Evolutionismus" ist.61

Bezeichnenderweise geht es nicht mehr um ‚Wahrheit', sondern nur um die ‚Wirklichkeit', und zwar um eine solche, die auf die menschliche Sinnenwelt begrenzt ist,62 und als etwas im Wesentlichen bewegliches und veränderliches verstanden wird.

Es liegt in der Natur solcher Theorien, dass dabei die Intelligenz auf ihren niedrigsten Grad heruntergeschraubt wird, nämlich nach unten, wo der Verstand selbst hat nur noch in dem Maße Bedeutung hat, in dem er zur Gestaltung der Materie für industrielle Zwecke verwendet werden kann.

Danach gab es nur einen Schritt zu tun, nämlich Intelligenz und Wissen völlig zu leugnen und die „Wahrheit" mit „Nutzen" zu ersetzen. Es war der „Pragmatismus", der diesen Schritt tat, und hier befinden wir uns nicht mal mehr - wie im Fall des „Rationalismus" - im menschlichen Bereich: Hier sind wir im „Unbewussten", welches das vollständige 'auf-den Kopf-stellen' jeglicher normalen Hierarchie signalisiert.










Siehe auch:

- René Guénon: Deutsche Texte
...











2017-11-06 vs.2.1; from 2017-10-25
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Disclaimer: First of all it is Islam that reigns (see Sura 5:3).
Traditional Islam does not accept the notion that the world-religions (and even less so any man-made belief system) would be equally valid paths to God, these are perennialist interpretations. Even so, they (their laws) still reflect some sacred truth, so they did not turn into falsehood by being abrogated. These two points need to be kept in mind.

• In the words of Muhyiddīn Ibn `Arabi: ”The religious laws are all lights, and the law of Muhammad ﷺ among these lights is as the sun's light among the light of the stars…”

”So all paths return to look to the Prophet's path ﷺ : if the prophetic messengers had been alive in his time, they would have followed him just as their religious laws have followed his law.…” [further reading]

  1. Durch die ökonomische, politisch-kulturelle Vorherrschaft des Westens (USA) in der Welt, sind diese anti-traditionellen Vorstellungen heute auf der ganzen Welt verbreitet, d.h. machen in allen Ländern ihren Einfluss - mehr oder weniger - geltend, auch wenn es starke Gegenströmungen gibt.

  2. Es ist vielerorts so weit gekommen, das Menschen sich damit brüsten, Gott nicht (mehr) zu brauchen. Das ist die wirkliche Katastrophe der Menscheit, schlimmer als die Zerstörung der Umwelt. Im Grunde gehen beide 'Erscheinungen' Hand in Hand, sie bedingen einander.

  3. im postmodernen Zeitalter: oder auch in der letzten Zeit dieses grossen Zyklus

  4. Metaphysik ist die Wissenschaft vom Realen, vom Wirklichen, (Al-Haqq) [link]

    … oder genauer vom Wissen, mit dem der Mensch das Wirkliche vom Illusorischen, Scheinbaren unterscheiden kann und die Dinge in ihrem Wesen oder wie sie sind erkennen kann, was letztendlich bedeutet, sie 'in divinis' zu kennen. S H Nasr

  5. Den glömda dimensionen, Natur och Kultur, Stockholm 1959 - auf schwedisch

  6. Nach der hinduistischen Lehre der Zyklen, aber im Islam gibt es genau dieses Bewusstsein / Wissen von den 'besten Zeiten' und den schlechter werdenden Zeiten, bis zur Letzen Zeitperiode des akhiri zaman.

  7. In jüngster Zeit hat die moderne Wissenschaft einige Auffassungen zB. von dem Entstehen der frühesten menschlichen Lebensorganisationen (nicht: Zivilationen) revidieren müssen und setzt den Zeitpunkt dafür wesentlich früher an.

  8. Im Text: der Fall

  9. S. 68 in Den glömda dimensionen, Natur och Kultur, Stockholm 1959

  10. …in ihrer Kunst, Architektur, Verwirklichung des Lebens nach den Grundsätzen ihrer jeweiligen religiösen Vorschriften und Intellektualität.

  11. Der Intellekt, siehe: Orientalische Metaphysik, von René Guénon in seinem Werk ‘La Métaphysique Orientale’

    Kurt Almqvist schreibt dazu: 'Der Intellekt, der sich ursprünglich auf die über-individuelle Wirklichkeit bezieht, bezeichnet das 'Etwas' des Meiter Eckehart, das jenseits des Blickwinkels des modernen Abendländers liegt. GD21

  12. gemäss R. Guénon an mehreren Stellen seines Werkes

  13. Dieser “Esoterismus (dh. innere Lehre einer Religion) bestand in erster Linie in den christlichen Klosterorden, sowie bei den Dombaumeistern und anderen Hantwerksgemeinschaften (Gilden), in der Hermeneutik [aus muslimischen Quellen geschöpft, 68] oder bei der Alchemie und schließlich bei den Riddarorden, vor allem bei den Tempelherrorden (Templern, Tempelritter).”

  14. “wenn man der Entwicklung der europäischen Spiritualität seit dem Mittelalter verfolgen will,…”

  15. “Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass einer der Könige Europas, dh. ein Vertreter zweiten Standes der Feudalgesellschaft, des Adels, sich an jener Organisation vergreift, die (S.69) eigentlich der Kern des ersten Standes ausmachte, die geistige Autorität.”

  16. “ebenso sowie Indiens Kastengesellschaft, dessen Spiegelbild es ist…”

  17. “über-nationelle, nicht-international!”

  18. “in den Worten von Joseph de Maistre…”

  19. “durch die Zentralisierungsbemühungen der Könige…”

  20. fn3 - viele Begriffe sind durcheinander geraten, oder ihre ursprüngliche Bedeutungen verkehrt worden.
    Siehe auch fn66

  21. Doktrin wird hier und bei René Guénon nicht im herabsetzenden, negativen Sinn gebraucht, sondern in ihrer ursprünglichen, etymologischen Bedeutung als 'Lehre,' insbesondere als Lehre der Tradition.

  22. …was noch heute bei Vertretern einer eher oberflächichen Religiösität zu beobachten ist.

  23. …und noch heute - und nicht nur beim Protestanismus. (S.71)

  24. "Was bleibt ist dass man in unseren Tagen [1959] im Katholizismus als solchem und als einzigen trotz allem noch den wahren traditionellen Geist in Europa finden kann - abgesehen davon, wie er praktiziert wird - was die ist: Die Kirche verteidigt die christliche Tradition in latenten Zustand, ohne sich selbst seiner vollen Realität bewusst zu sein; sie bewahrt den 'Buchstaben', aber nicht seinen 'Geist'.” [Kommentar: Wenn eine geistige, religiöse Tradition nicht praktiziert wird, wird sie auch zunehmend in Vergessenheit geraten. Träger der Tradition ist heute [2017] eine andere Weltreligion geworden.]

  25. “welches Ergebnis ist der Unwissenheit über den vereinigenden Intellekt und das sich in Politik und Religion äusserte als die Zersplitterung des Christentums in verschiedene Glaubensrichtungen und Nationalstaaten…”

  26. “Die Einteilung in verschiedene "Spezialwissenschaften” war ein weiterer Aspekt derselben Tendenz.“

  27. Aristoteles ‘Physik’: Bei ihm und den Altvorderen im allgemeinen war ‘Physik’ ein ganz allgemeiner Begriff, gleichbedeutend mit Natur, also allem 'Werdenden', im Gegensatz zu dem was nicht 'wird', weil es immer schon ist und sein wird wie es ist: die Metaphysik.

  28. “mit der Erklärung, sie sei unabhängig und, dass alles was über sie hinausginge, nicht existiere, oder - was auf das Gleiche herauskommt - jedenfalls für die Wissenschaften unerreichbar sei.”[^obenerw]

  29. d.h. der Physik untergeordnet,
    aber 'Physik' bereits begrenzt, s.o.

  30. auf die Sinneswelt

  31. “So wurde auch die Wissenschaft zunehmend Diener des praktischen Lebens.”

  32. Wissen durch Erkenntnis…

  33. der Wandel: d.h. die durch die Handlung, die Tat verursachte Veränderung

  34. die Art und Weise wie die Menschen in ihrem Leben handeln oder agieren

  35. “mit den Enzyklopädisten in der Mitte der 18. Jahrhunderts…”

  36. die Materie, das durch die menschlichen 5 Sinne erfassbare

  37. in die Grenzen des sinnlich Erfahrbaren

  38. Andererseits hat Metaphysik wenig [d.h. gar nichts] mit “Spiritualismus” oder “Idealismus” zu tun. Die wirkliche Dualität des “Geistesstoffes” war vor Descartes niemals unzulässig gemacht worden, und ihre Existenz ist in der Tat illusorisch und endet damit, daß sie sich über die individuelle Position erhebt (vgl. Seiten 56 und 109 ff).

  39. dank der Anwendung des materialistischen Denkens auf die Wissenschaft, d.h. das Denken, das sich begrenzt auf bloss die sinnlich erfassbare Realität…

  40. “Die Begriffe ‚Zivilisation' und ‚Fortschritt' entsprechen natürlich Realitäten, aber doch nur relativen Realitäten, und sobald sie im absoluten Sinn aufgefasst werden, werden sie leer und deklamatorisch.”

  41. “Dieser Fortschrittsglaube wendet sich ”in Gestalt der Evolutionlehre gegen den Rationalismus, indem er dem Verstand vorwirft, nicht in der Lage zu sein, sich angemessen den deutlichen Veränderungen und der Vielfalt anzupassen und nicht in der Lage zu sein, die endlose Komplexität in seinen Vorstellungen zu umschließen.”

  42. “Da nun die Evolutionstheorie letztendlich ihre Wurzeln im Rationalismus hat, sehen wir hier in der Tat, wie diese sich gegen sich selbst richtet, und als ein Beispiel unter vielen dieses Widerspruchs in dieser Welt, sei das das Wort Jesus Christi zitiert, der sagte, dass 'wer das Schwert nimmt, durchs Schwert umkommen wird.'”

  43. d.h. ein übertriebener Moralismus, eigentlich: Moralismus an sich ist immer übertrieben, da er eine Art von Ungleichgewicht darstellt, und damit eine Verzerrung des Einheitsglaubens. Wenn die äussere Form über alles weitere - und vor allem über die inneren Dimensionen - gestellt wird, wird damit den Vorrang der Barmherzigkeit zunichte gemacht und auch bleiben mögliche Erleichterungen in der Ausübung des Gottesdienstes (`ibádah) unausgenützt oder werden gar geringgeschätzt, was der Sunnah des Propheten ﷺ zuwiderläuft.

  44. und gehen auch heute noch Hand in Hand mit dem Materialismus, und mancherorts - wo die reine Intellektualität der himmlischen Botschaft am schwinden ist - noch mehr.

  45. Nun, mehr als ein halbes Jahrhundert später, ist die Situation im Osten nicht anders, auch wenn die oben beschriebene Mentalität des Westens auf einige Zeitgenossen einen gewissen Eindruck macht.

  46. Dies gilt [zum Beispiel] auch für Bergsons Intuitionismus, denn was er ‚Intuition' nennt, hat nichts mit der intellektuellen Intuition zu tun (siehe oben, Seite 23) [mL nach 'Im Prozess')

  47. die Lehre des 'immerwährenden' Fortschritts, oder fortschreiens der Menschheit zu einer immer besseren Zukunft. Auch wenn diese Utopie heute [2017] einiges von ihrer Überzeugungskraft eingebüsst hat, kann man davon ausgehen, dass sie immer noch 'im Rückenmark' vieler Leute verankert ist.

  48. dieses animalische Leben: Wenn nicht schlimmer!

  49. des ‚täglichen Lebens': ”das heißt, des Handlungs-lebens"

  50. die Welt der Sinneserfahrungen

  51. in das menschliche Leben

  52. zumindest in der Auffassung der großen Mehrheit…

  53. oder die Verfestigung'; der Begriff in diesem Sinne stammt von René Guénon, auf Französisch 'solidification'.

  54. "Diese Verfestigung - in ihrem mikrokosmischen Aspekt - nennt das [christliche] Evangelium “die Härte des Herzens” und jene durch kosmische Verhärtung ausgeschlossenen übermenschlichen Einflüsse sind diejenigen, welche die Religion unter dem Begriff der “Gnade Gottes” zusammenfasst.”

  55. 'Solidification'

  56. “das (S.79) seinen Höhepunkt erreichte, als die vorherige Epoche [an Bedeutung] abnahm…”

  57. durch die Leugnung der intellektuellen Intuition: indem dabei ”ein schlecht definiertes 'etwas' - zusammengesetzt aus Phantasie, Instinkt und Gefühl herauskam und dessen Objekt daher nichts anderes als der Verstand sein kann, nämlich die Welt der Sinnesempfindungen.”

    ”Bezeichnenderweise geht es in seiner Philosophie nicht einmal mehr um ‚Wahrheit', sondern nur um die ‚Realität', womit die von den menschlichen Sinnen begreifbare Realität gemeint ist, die er als etwas im Wesentlichen bewegliches und veränderliches präsentiert. Es ist daher nur natürlich, dass Bergson sich Gott als ‚unaufhörlich hervorquellenden, nicht voll ausgebildeten, von ununterbrochenen Leben und Handeln' vorstellt: besser kann die materielle Welt kaum charakterisieren. Aus diesem Grund, er löst sich nicht, weil er die mehr mechanischen Materialismus mit einem organischen Vitalismus ersetzt: sowohl die Materie als Objekte haben, in einem Fall die Toten, die in der zweiten der Lebenden.

    Bergson formulierte damit eindeutig die Auffassung die eigenen Zeit von der Intelligenz hatte, als er sie als die 'Fähigkeit künstliche Objekte zu erzeugen' bezeichnete, und insbesondere als 'Fähigkeit Werkzeuge, die ihrerseits Werkzeuge machen können, und diese Herstellung bis ins Endlose variieren zu können'. So wurde die Intelligenz wirklich auf ihren allerniedrigsten Teil heruntergeschraubt, und was noch übrig blieb, war sie vollständig zu leugnen (S. 77), indem man “Wahrheit” durch “Nutzen” zu ersetze. Dieses Vorhaben wurde vom Pragmatismusn1 vollbracht, dessen Postulat es ist, dass der Mensch nur praktische, materielle und gefühlsmässige Bedürfnisse habe. Beim Pragmatismus, sind wir nicht mehr - wie noch beim Rationalismus - im rein menschlichen Bereich, sondern im ‚unter-menschlichen' Bereich, wenn man es so ausdrücken darf, denn dorthin sinkt dieser - der letzten Tage - Glauben mit seinem Fokus auf das Unbewusste.

  58. Sicherlich eine übertriebene Aussage, da es einen Rationalismus bereits bei den alten Griechen gegeben hat.

  59. das Übernatürliche…

  60. TJE73

  61. Aber gerade dieser [Evolutionismus] würde sich schließlich gegen den “Rationalismus” wenden. Er warf dem Verstand nämlich vor, dass er nicht angemessenerweise auf etwas angewandt werden konnte, was allein Bewegung und Vielfalt ausmacht und dass er nicht in der Lage war, die endlose Komplexität der Dinge [der Welt] zu erfassen, d.h. jene Dinge, die durch die menschliche Sinneserfahrung wahrgenommen werden.

    Dies ist in der Tat die Haltung die durch Bergsons ‚Intuitionismus' vertreten wird, die sicherlich nicht weniger individualistisch und anti-metaphysisch ist als der „Rationalismus". Obwohl er letzteren kritisiert, sinkt er noch tiefer, nämlich indem er an die - im eigentlichen Sinne - unter-rationalen Fähigkeiten appelliert: eine vom [menschlichem] Sinnesvermögen abhängige Intuition, die übigens recht schlecht definiert ist und mit Phantasie, Instinkt und Gefühl vermischt.

  62. d.h. die von den menschlichen Sinnen begreifbare Realität…

  63. die innere Lehre

  64. ”Die Geschichte zeigt wie diese Kriege in den folgenden Jahrhunderten immer verwickelter wurden, und letztlich zu schrecklichen Ergebnissen führten. Davon zeugen die Tagesereignisse unserer Tage in ausreichendem Maße.”

  65. [wie fn 21]
    Doktrin wird hier und bei René Guénon nicht im herabsetzenden, negativen Sinn gebraucht, sondern in ihrer ursprünglichen, etymologischen Bedeutung als 'Lehre,' insbesondere als Lehre der Tradition.

  66. ”Hier muss dem Autor dieses Buches (Kurt Almqvist) eine Reflexion über das gegenwärtige philosophische Dilemma, das am Anfang der Einführung erwähnt wurde, erlaubt sein.

    Die Entwicklung, die von der ”Befreiung” des Individuums schließlich bis zu seiner mehr oder weniger offensichtlichen Unterdrückung durch den Staat führte, ist nicht wirklich widersprüchlich, sondern ganz natürlich und logisch:

    die Befreiung des Individuums oder genauer gesagt die Befreiung der Individualität bedeutete in Wirklichkeit den Anfang einer Jahrhunderte währenden Gefangenschaft, nämlich in den Schiedsmauern des Individuellen.

    Der moderne tyrannische Staat ist bloß eine kollektive Manifestation dieses Zwanges, welche die Individualität über den Menschen ausübt, indem sie sich den Thron des Intellekts aneignet, nämlich indem sie ihn daran hindert, seine spirituellen Möglichkeiten zu entwickeln.

    Die Individualität ist also in der Tat nicht unterdrückt, sondern im Gegenteil sie ist der Unterdrücker - ob sie nun in individueller oder kollektiver Form erscheint - und der "Unterdrückte" ist die göttliche Persönlichkeit, dessen direkte Ausstrahlung, der Intellekt, durch seine Widerspiegelung im Menschen, ihm Zugang zum Über-Individuellen gewährt (vgl. 21 f).

    Um dies zu verdeutlichen, wird hier eine Anordnung aus Buch von René Guénon L'Homme und Sohn Devenir selon le Vedanta, p. 36 wiedergegeben, welche die Anmerkung von Seite 25 ergänzt:”

    das Universelle
    das Individuelle das Generelle
    das Spezifische das Kollektive
    das Einzelne

  67. Die Ständeordnung im Mittelalter:

    Den ersten Stand – der Klerus:
    Innerhalb der mittelalterlichen Ordnung bildete der Klerus, zu dem alle Geistlichen gehörten. Die Aufgabe der Angehörigen dieses Standes war auf das Seelenheil der Menschen ausgerichtet. Durch moralische und sittliche Festigung sollte dieses Ziel erreicht werden. Da die Menschen des Mittelalters zu einem hohen Prozentsatz aus Analphabeten bestanden, waren sie kaum in der Lage, die kirchlichen Lehrmeinungen zu überprüfen. Aufbegehren gegen ein Leben in Armut war kaum zu verzeichnen, da von den Kanzeln gepredigt wurde, dass ihr Schicksal von Gott vorherbestimmt sei. Der Lohn für ihr entbehrungsreiches Dasein sollte im Jenseits auf sie warten.

    Der zweite Stand – der Adel:
    Der Adel hatte die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten und musste im Kriegsfall Land und Volk verteidigen. Die Mitglieder des ersten und zweiten Standes verfügten über ausgedehnte Privilegien gegenüber dem dritten Stand.

    Der dritte Stand – die Bauern:
    Der dritte Stand setzte sich aus Bauern und einfachen Bürgern zusammen. Die Bauern, die etwa 90 Prozent der Bevölkerung stellten, waren die wichtigsten Güterproduzenten.

  68. Siehe z.B. ”Hermes and Hermetic Writings in the Islamic World” ISN63 ff

  69. Dies schrieb Kurt Almqvist ca. 1958

  70. "Im Dienste des Einen” von 1977 (Schwedisch: 'I tjänst hos det Enda'), das andere hier zitierte Werk von Kurt Almqvist, wo der Verfasser einige der Hauptgedanken von René Guénon, Shaykh Abdul Wahid Yahya, vorstellt.

  71. Der reine Intellekt ist das unmittelbare Prinzip: The Pure Intellect

    R.G.: ”The Pure Intellect is … ”

  72. Auch wenn hier vom 'Abwärtstrend' gesprochen (geschrieben) wird, heisst das nicht dass alles negativ ist.
    Die Existenz (al-wujūd ) hat immer und muss immer (für den Menschen) ein Gleichgewicht von positiven wie auch negativen Bedingungen aufweisen, sonst wäre die Bestimmung der All-Barmherzigkeit (ar-rahmán ) nicht gegeben. Es liegt am Menschen, wenn er die positiven Strukturen nicht sieht.

  73. Hier wird nicht auf konkrete, wichtige, geschichtliche Ereignisse und Verhältnisse als weitere Faktoren für die besonderen Veränderungen im Abendland im späten Mittelalter eingegangen, so z.B.:

    • Die Korruption der spirituellen Elite
    - - Nur auf der Suche nach irdischen Profiten
    - - Päpste kämpfen gegeneinander

    • Verfälschung der Lehre / Doktrin
    - - Ablassbriefe

    • Verfolgung jener mit unterschiedlichen Auffassungen in der Lehre
    - - Meister Eckhard, Hus, Calvin, Luther,

    • Harte Kontrolle der Gläubigen
    - - Registrierung von Kirchenbesuchern